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Schreiben Sie sich schlau!

04.04.2019

  Diskussion: Stift oder Tastatur oder beides?

Schreiben Sie sich schlau!

Notieren Sie Ihren Einkauf handschriftlich auf einem Zettel oder digital in einer entsprechenden App? Wenn Sie ein Fachbuch lesen, schreiben Sie wichtige Gedanken handschriftlich auf oder sichern Sie wichtige Passagen – sofern möglich - per Copy & Paste? Versenden Sie Briefe, die Sie per Hand verfasst haben, oder tippen Sie den Text irgendwo ein? Vielleicht denken Sie jetzt, ist doch egal, es kommt ja auf die Inhalte an, nicht auf die Art und Weise? Leider nicht!

Für viele dürfte der 23. Januar dieses Jahres ein Tag wie jeder andere gewesen sein. Es war der „Tag der Handschrift“, das Ereignis ist bei den meisten Zeitgenossen spurlos und unbemerkt vorüber gegangen, so wie der berühmte Sack Reis in China... Diesen „Tag der Handschrift“ haben wir John Hancock zu verdanken. Er ist der Erst-Unterzeichner der amerikanischen Unabhängigkeitserklärung, natürlich mit der Hand. Der 23. Januar ist sein Geburtstag. Dass ein „Tag der Handschrift“ begangen wird, hat natürlich einen tieferen Sinn. Denn neurowissenschaftliche Studien haben gezeigt, dass das Handschreiben Prozesse im Gehirn auslöst, die es beim Tippen auf einer Computertastatur nicht gibt. Aber der Reihe nach.

Im Alltag verwenden immer mehr Menschen die Tastatur statt Stift und Papier. Lieber rasch eine SMS versenden als ein mit der Hand geschriebenes Post-It an die Kühlschranktür kleben. Lieber einen Text abfotografieren als ihn handschriftlich fest zu halten. Schreiben funktioniert mit Tablet, Smartphone oder PC schnell und unkompliziert, von daher wird vermehrt getippt – und wir finden uns ja in der zunehmend digitalisierten Welt gut zurecht. Wir googeln , twittern und simsen. Keine Frage: wir haben eine zuvor nie da gewesene Informationsgeschwindigkeit und eine beachtliche Vereinfachung gewonnen! Doch für diesen Fortschritt zahlen wir einen nicht unerheblichen Preis.

Tastatur oder Stift oder beides?

Mit der Hand schreiben ist gut für unser Gehirn

... wir alle wissen, dass sich Dinge noch besser erinnern lassen, wenn ich sie mitgeschrieben habe, als wenn ich sie eintippe. Professor Ralph Bruder, Arbeitswissenschaftler

  Schreiben statt tippen ist gut für das Gehirn

Die Zukunft der Handschrift in digitaler Zeit

Anhand bildgebender Verfahren haben Neurowissenschaftler festgestellt, dass beim Erinnern an ein Wort nicht nur die Sprachzentren in der Großhirnrinde, sondern auch das Kleinhirn aktiv wird – das Kleinhirn steuert unsere Motorik und Bewegung. Das heißt, dass die Bedeutung eines Wortes nicht nur in den Sprachzentren generiert, sondern auch über die Motorik des Schreibens verankert wird. Wenn wir handschriftlich etwas zu Papier bringen, wird demnach auch unser motorisches Gedächtnis aufgerufen. Wir sehen nicht nur den geschriebenen Text, wir „fühlen“ ihn durch die Bewegung von Hand und Arm. Wenn wir etwas verstanden haben, nennen wir es passend: „begreifen“. Jeder kennt das: Wer erfolgreich Vokabeln lernen möchte, wird diese nicht nur lesen (und sprechen), sondern auch mit der Hand aufschreiben. Durch das Abspeichern in verschiedenen Gehirnarealen festigt sich der Stoff, das Gelernte bleibt deutlich besser im Gedächtnis. Hirnforscher fanden in einer Studie der Universität Princeton heraus, dass Studenten, die sich während einer Vorlesung handschriftliche Notizen machten, bei anschließenden Tests erheblich mehr behalten konnten als ihre Kommilitonen, die am Laptop schrieben. Beim Handschreiben werden zwölf Gehirnareale aktiviert, beim Tippen nur ein geringer Teil. Und noch etwas Bemerkenswertes: Auch wenn wir bei Vorlesungen oder Reden nicht mitschreiben, sondern nur ein Papierblatt vollkritzeln, können wir uns das Gehörte besser merken. Unglaublich: Auch Kritzeln fördert die Konzentration.

Warum ist das so? Neurobiologen erklären das so: Wer tippt, neigt dazu, das Gehörte nahezu wortwörtlich mitzuschreiben. Das Schreiben mit der Hand erfordert mehr Zeit, wodurch die gehörten Informationen gefiltert, verarbeitet und mit eigenen Worten aufgeschrieben werden. Das ist ein aktiver Vorgang, der deutliche Spuren im Gedächtnis hinterlässt.

Und wer gar nicht auf die Elektronik verzichten möchte, für den gibt es Tablets mit Stifteingabe, mit denen man Informationen in eigener Handschrift schreiben, versenden und - wenn gewünscht - vom Computer in Druckbuchstaben verarbeiten lassen kann. Mit der Einführung von Tablets und Stift sind auch handschriftliche Notizen komfortabel und problemlos möglich. Das Angebot wird zunehmend größer. Handschrift, Tablet oder PC werden in Zukunft nebeneinander existieren. Die Kombinationstechniken verknüpfen die analoge und die digitale Welt, und das bietet jedem Nutzer die passende Art.

Schönschrift fürs Poesiealbum ist natürlich völlig aus der Zeit gefallen. Wer viel mit der Hand schreibt, das konnten Neurowissenschaftler zeigen, verfügt allerdings über einen größeren Wortschatz und ist variabler in der Sprache. Mit der Hand schreiben fördert die kognitive Entwicklung. Fazit: Mit der Hand zu schreiben macht schlauer! Ob auf dem Tablet oder mit Stift und Papier, das ist – neurobiologisch betrachtet - dann vermutlich egal. Und warum schreiben die meisten Menschen Liebesbriefe mit der Hand???

Am 23. Januar 2020 ist wieder der „Tag der Handschrift“. Bitte notieren Sie sich den Termin...

Das Schreiben ist eine sinnliche Erfahrung, die man beim Tippen nicht hat.Michael Reichhold