Der Begriff versinkt im Binnenmeer der Beliebigkeit
Nachhaltigkeit und nachhaltige Mitarbeiterführung
Viele führen ihn unablässig im Munde wie das tägliche Brot, andere wenden sich entnervt ab, wenn sie diesen Begriff hören: „Nachhaltigkeit“. Als ob die ganze Welt sprachlich geimpft wurde, springt uns „Nachhaltigkeit“ aus Büchern und Medien massenweise entgegen. Es gibt ein „Lexikon der Nachhaltigkeit“, man kann „Nachhaltigkeit“ studieren, wir buchen nachhaltigen Tourismus und können nachhaltig bauen. Sogar von „nachhaltiger Kunst“ ist die Rede. Im Juni wurde die „Deutsche Aktionswoche Nachhaltigkeit“ begangen, im November findet der „Deutsche Nachhaltigkeitstag 2013“ statt, wo auch ein „Nachhaltigkeitspreis“ verliehen wird. Für Angela Merkel ist „Nachhaltigkeit“ die zentrale Aufgabe des 21. Jahrhunderts.
Gegen Nachhaltigkeit an sich ist nichts zu sagen, denn das Prinzip der nachhaltigen Entwicklung ist seit Ende des 20. Jahrhunderts internationales Leitbild für umwelt- und entwicklungspolitisches Handeln geworden. Und das zurecht, denn Zweifel am Modell des ewigen Wachstums sind angesichts des Klimawandels angebracht.
Nahezu alles ist „nachhaltig“, und in manchen Kreisen wird der Begriff wie eine Monstranz vor sich her getragen, was zu einer inhaltlichen Entleerung führt. Indem „Nachhaltigkeit“ zum angesagten Sprachgebrauch wird, droht der Begriff im Binnenmeer der Beliebigkeit zu versinken. „Wenn einem nichts mehr einfällt“, so Klaus Töpfer, „spricht man von einer nachhaltigen Entwicklung.“ Auch andere Begriffe wie "proaktiv", "auf Augenhöhe" und "Achtsamkeit" sind von der Verflachung bedroht.
Die Wurzeln des Begriffs weisen in das barocke Sachsen, in das Jahr 1713, als Hans Carl von Carlowitz für die Forstwirtschaft Nachhaltigkeit forderte. Auch heute wird „Nachhaltigkeit“ weitgehend auf ökologische und zuweilen ökonomische Belange angewendet. Was hier inflationär gebraucht wird, hört man im Zusammenhang einer „nachhaltigen Mitarbeiterführung“ eher selten.
Nachhaltigkeit kann nicht isoliert betrachtet werden. Denn das „Drei-Säulen-Modell der Nachhaltigkeit“ (Rio-Gipfel 1992), das aus den Bereichen Ökologie, Ökonomie und Soziales gebildet wird, bezieht eine nachhaltige Entwicklung ausdrücklich auch auf soziale Ziele. Wenn also Nachhaltigkeit bedeutet, dass nicht nur kurzfristige Effekte erzielt werden sollten, sondern eine Ressourcennutzung zum Handlungsprinzip erklärt wird, dann gilt das allemal für die Mitarbeiter in einem Unternehmen. Nachhaltiges Mitarbeitermanagement ist der Schlüsselfaktor für eine erfolgreiche Zukunft!
"Nachhaltigkeit" im Arbeitsleben?
Wer in Google den Begriff „Nachhaltigkeit für Mitarbeiter“ eingibt, erhält innerhalb von 0,28 Sekunden 2.310.000 Ergebnisse! Thyssen Krupp postuliert, dass die Kompetenz und Leistungsbereitschaft der Führungskräfte und Mitarbeiter entscheidend „für die Nachhaltigkeit unseres Erfolges“ sind. Unilever betont, dass der Erfolg des Unternehmens maßgeblich auf „Sustainable Living Plans“ zurück zu führen sei. Die Postbank schreibt: „Zufriedene Mitarbeiter sind eine Grundvoraussetzung für eine nachhaltige Unternehmensentwicklung. Gute Arbeitsbedingungen, wie Aus- bzw. Weiterbildung, flexible Arbeitszeiten oder aber das betriebliche Sportangebot, um nur einige zu nennen, sollen hierzu die notwendige Voraussetzung schaffen. Denn nur zufriedene Mitarbeiter sind in der Lage einen Mehrwert für Kunden und Aktionäre zu schaffen.“ Wohl wahr!
Nachhaltige Mitarbeiterführung - Zukunft gesichert!
Doch zahlreiche Bestandsaufnahmen in Deutschland zeigen, dass es im Berufsleben deutlich hapert. Nur etwa 15% der Beschäftigten in Deutschland arbeiten wirklich engagiert und mit einer hohen emotionalen Bindung zu ihrem Arbeitsplatz. Die Mehrheit ist unzufrieden, ein Viertel hat innerlich gekündigt. Als Gründe werden angeführt: Verdichtung der Arbeit, fehlendes Vertrauen in die Leistungsfähigkeit, geringe Dialogbereitschaft und Informiertheit, mangelhafte Vereinbarkeit von Job und Familie sowie die wachsende Unsicherheit bezüglich der beruflichen Zukunft.
Ein dickes Gehalt macht aus dem Beruf noch keinen Traumjob. Entscheidend für die Arbeitszufriedenheit der Beschäftigten sind die sogenannten weichen Faktoren. Der wichtigste Treiber hierfür ist ein Arbeitsklima, das auf Respekt, Vertrauen, Werten und eindeutigen Regeln basiert. Wer an seinem Arbeitsplatz offene Diskussionen erlebt, wer respektiert wird, wer in Entscheidungen mit einbezogen wird und klare Orientierung besitzt, der bleibt leistungsstark. Ein mitarbeiterorientierter Chef ist der Schlüssel zur Jobzufriedenheit! Das hat nichts mit Beliebigkeit und Kuschel-Business zu tun. Die Mitarbeiter wünschen - so wie sie sind, - ernst genommen, und so wie sie sein wollen, gefördert zu werden.
„Nachhaltigkeit“ ist also mehr als ein Handlungsprinzip zur Ressourcennutzung. „Bei genauerem Hinsehen entpuppt es sich“, wie Winfried Berner schreibt, „als eine Kulturentwicklung, bei der es entscheidend darauf ankommt, die Menschen mitzunehmen - in erster Linie natürlich die eigenen Mitarbeiter und Führungskräfte, in einer erweiterten Betrachtung aber auch Kunden und Lieferanten.“
Zukunftsorientierte Unternehmen verzichten immer mehr darauf, ihre Mitarbeiter mit Geld, Incentives oder einem Bespassungsprogramm inklusive Singen und Klatschen anzuspornen, das hat ohnehin nur ansatzweise funktioniert. Wer auf Alltagsmotivation setzt und die Anforderungen des Unternehmens mit den Interessen des Personals ausbalanciert, hat einen entscheidenden Schritt in Richtung sozialer „Nachhaltigkeit“ getan.
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